Das Französische Paradoxon

Salzburger Nachrichten / Life / 05.01.2001
JOHANNES EINZENBERGER, DIPL.-SOMMELIER, WEIN & CO

Wurde noch bis vor einigen Jahren die positive Wirkung des Weingenusses in der Öffentlichkeit ignoriert, so treten heute Wein-Lobbyisten und Gesundheitspolitiker auf den Plan, um den mäßigen Weinkonsum als Bestandteil einer gesunden Lebensweise zu predigen. Vor allem die antioxydative Wirkung der Tannine (Gerbsäuren) wird hervorgehoben. Quercetin, Catechin und vor allem Resveratrol*) heißen die Wundersubstanzen, die zur Gruppe der Phenole gehören und die Herzkranzgefäße vor Cholesterinablagerungen schützen. Phenole befinden sich in Weiß- und Rotwein. Je höher der Tanninanteil, umso höher ist der Phenol-Anteil. So haben Rotweine einen ca. zehn Mal höheren Phenol-Anteil als Weißweine. Die statistische Tatsache, dass die Franzosen mehr Fett zu sich nehmen, mehr rauchen und zehn Mal mehr Rotwein trinken als die Amerikaner, aber auf 100 Franzosen 30 - 50% weniger Herzinfarkte entfallen, hat die Wissenschafter zum Schluss verleitet, dass Rotwein eine ungesündere Ernährungsweise kompensiere. Zum "französischen Paradoxon" gehört allerdings auch die Lebensweise sowie die hohe Qualität der Lebensmittel. Kurzum, Entspannung an den Feiertagen sowie höherwertige Lebensmittel und Weine verzeihen kleine Sünden.


*) Resveratrol ist eine Phenolverbindung, die von Weinreben als eine Reaktion auf Stressbedingungen wie ultraviolette Strahlung gebildet wird. Zahlreiche Faktoren können sich auf den Resveratrolgehalt auswirken. Die Rebsorte, der Klon, die Unterlagsrebe sind ebenso verantwortlich wie die Weinregion. Im Keller ist die Gärung ein wichtiger Faktor. Resveratrol kann durch die Maischung extrahiert werden. Schönungen, Hefen und der biologische Säureabbau können ebenso einen Einfluss auf den Resveratrolgehalt des Weins haben. Resveratrol wurde 1963 erstmals in Knötereich-Pflanzen identifiziert. 1976 gelang den Forschern der Nachweis in Weintrauben. Mit der Entdeckung des "Französischen Paradoxon" wurde bekannt, dass die Substanz für die gesundheitliche Wirkung von Wein mit verantwortlich ist. Sie verringert die Aggregation von Blutplättchen, senkt den Cholesterinspiegel und wirkt vorbeugend gegen Krebs. Mittlerweile gibt es Resveratrolpräparate als Nahrungsergänzungsmittel - natürlich dem Wein an Geschmack und Genuss weit unterlegen.
Salzburger Nachrichten / 07.03.2009

© SN/SW

zum Warenkorb